Coaching auf dem Reiterhof

Die Pädagogin Lisa Brendel will in ihren Seminaren Probleme lösen. Pferde sind für sie dabei eine Übersetzungshilfe für menschliche Spannungen – auch unter Kollegen.

Für Lisa Brendel sind Pferde nicht nur Tiere, die sie besonders mag und von klein auf kennt – inzwischen sind sie auch gute Kollegen. Von Pferden können Menschen viel lernen, auch über sich selbst; das ist ein Grundsatz ihrer Arbeit. Die 26-Jährige ist Pädagogin mit Schwerpunkt Psychologie. Sie fährt entweder selbst zu Kunden oder ist an ihrem Lausitzer Arbeitsplatz anzutreffen: dem Reiterhof Nikolaus in Kleindehsa. Hier führt sie regelmäßig Coaching-Seminare durch. Mit Menschen, die bei ihr Rat für persönliche Probleme suchen. Und mit Firmen, die sie aus verschiedenen Gründen buchen, mal um eine andere Form von Motivationstraining zu erleben, mal um Spannungen im Team zu ergründen.

Der pädagogische Weg von Lisa Brendel führt dabei immer auch zur Koppel, denn in einer Pferdeherde, sagt sie, kann man erstaunliche Parallelen zum menschlichen Miteinander entdecken. „Wenn ich Teams betreue, lasse ich alle Teilnehmer erst mal die Pferde beobachten. Sie sollen die verschiedenen Charaktere kennenlernen, sehen, wie sie miteinander umgehen.“ Eben gar nicht so anders als Menschen: Es gibt Leithengste und dominante Stuten, manche Pferde sind kumpelhaft oder unterwürfig, andere keilen schnell aus. Was Führungsrollen angeht, ist auch die Hierarchie in einer Pferdeherde nicht immer einfach. „Wenn ein Chef oder eine Chefin nicht klar führt, versucht ein anderer diese Rolle zu übernehmen. Das ist bei Menschen und Pferden ähnlich“, sagt Lisa Brendel. „Und auch Pferde folgen am liebsten Vorbildern.“ Die Gemeinsamkeiten, die ihre Kunden entdecken, nutzt Lisa Brendel für Übungen. „Die Herde ist eine wichtige Übersetzungshilfe für menschliche Interaktionen“, sagt sie. Für die meisten Teilnehmer ist der Kontakt zu den Pferden eine Erfahrung, die verändert.

„Ich arbeite in erster Linie mit Menschen, aber die Tiere sind dabei eine gute Ergänzung.“

Lisa Brendel ist mit Pferden groß geworden, im kleinen Friedersdorf, in einer Familie, in der fast jeder reitet. Nach dem Abitur zog sie erst einmal weit weg. „Da hatte ich das Gefühl, ich muss jetzt die Welt erobern.“ Sie ging nach Stuttgart und begann Bewährungshilfe zu studieren. „Eine interessante Erfahrung, die ich nicht missen möchte, aber ich habe mich in dieser Branche nicht am richtigen Platz gefühlt“, sagt sie heute. Außerdem vermisste sie die Heimat. Das Pädagogik-Studium an der TU Chemnitz war schließlich die richtige Entscheidung. Dieses Wissen und ihre Erfahrung mit Pferden vereinte sie nach dem Abschluss in ihrem eigenen Unternehmen Animal A.C.T. – wieder daheim in der Lausitz.

Das Geschäft ist inzwischen ein Jahr alt, die Nachfrage war von Anfang an groß, auch ohne aufwändige Marketingaktionen. Lisa Brendel profitiert vor allem von Mundpropaganda: Teilnehmer, die ein Seminar bei ihr besucht haben, erzählen anderen von ihren Erfahrungen. Steuerberater, Ingenieure, Arztpraxen und Handwerksbetriebe standen schon in der Reithalle. Jedes Team hatte ganz eigene Hierarchien und Spannungen, Lisa Brendel muss diese Gefüge mit Hilfe der Pferde analysieren. „Manche Teilnehmer sind erst mal skeptisch, weil sie nicht wissen, was auf sie zukommt“, erzählt sie. Meist überzeugt sie die Praxis. Einmal war eine Dachdeckerfirma zu Gast, alles zünftige Herren, die mit Pferden sonst wenig zu tun haben. „Da hat vor allem eine Übung das Eis gebrochen“, sagt Lisa Brendel. Alle Kollegen standen in einem engen Kreis, ein Pferd sollte gleichmäßig um sie herum traben. Jeder musste mit vorsichtigen Handbewegungen dafür sorgen, dass das Tier sich von einem zum anderen bewegt – gute Teamarbeit war also nötig. Nach mehreren Anläufen hat das Team die Aufgabe bewältigt. Mit der Erkenntnis, dass man am reibungslosen Miteinander arbeiten muss.

www.animalact.de

Text: Doreen Reinhard / Fotos: André Wirsig

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