Die richtige Verbindung für die Rückkehr nach Hause

 

Thomas Scholz hat auf der ganzen Welt gearbeitet. Bis er entschied: Ich will zurück in die Oberlausitz, zu meiner Familie. Die Lösung für seine Jobsuche: Er übernahm den Metallbetrieb Arno Hentschel GmbH, der dringend einen Nachfolger suchte.

 

 

Thomas Scholz arbeitet gern und viel. Einen Satz wie diesen sagt er nicht häufig: „Heute ist so herrliches Winterwetter, ich mache mal zeitig Schluss.“ Es ist Freitagmittag und Thomas Scholz mit seiner Familie zum Skifahren verabredet, gleich nebenan im Zittauer Gebirge. Wieder mehr Zeit für die Familie zu haben, das ist ein Stück Lebensqualität, die sich der 38-Jährige erarbeitet hat. Sein Weg dahin war lang und erfolgreich, er hat in die verschiedensten Ecken der Welt geführt und schließlich doch wieder zurück in die Oberlausitz. Ins Chefbüro des Oderwitzer Unternehmens mit der neu geschaffenen Marke ARNELL, einem Mittelständler mit 25 Mitarbeitern. Von außen ein unspektakulärer Betrieb, aber darin steckt durchaus Exotik. Denn ARNELL ist ein Spezialist mit nur wenigen Konkurrenten weltweit. Produziert werden, grob zusammengefasst, Metallerzeugnisse und Werkzeuge. Die Spezialität: Befestigungselemente für Gitterroste. Die kommen auf der Nordsee, wie auf der Zugspitze, an Gebäuden, Maschinen und in Fabriken zum Einsatz – ein hochgradig spezialisiertes Gewerbe also. „Das ist, als würden wir nur die Tachonadeln für ein Auto produzieren. Eine absolute Nische“, sagt Thomas Scholz. Eine Nische für gesunde Geschäfte. Es hat eine Weile gedauert, bis er das gefunden und erkannt hat. Heute ist Thomas Scholz an dieser Stelle überaus zufrieden.

 

Er stammt aus Zittau, an der hiesigen Hochschule begann er auch Wirtschaftsingenieurwesen zu studieren. Bis nach dem Grundstudium ein Wunsch immer größer wurde: „Ich muss hier mal weg. Es muss auch noch etwas Anderes geben.“ Das nächste Ziel: Hongkong. Für einige Monate arbeitete Scholz an einer Universität. „Das war ein toller Einblick, für mich die Initialzündung, weiter über den Tellerrand zu schauen.“ Von nun an zog er durch die Welt und machte Schritt für Schritt Karriere. Praktikum bei Porsche, Studium in Holland, später Diplomarbeit bei BMW, danach ging es nahtlos weiter zum ersten Job, der ihn regelmäßig nach England führte. Für ein neues Modell des Luxus-Autos Rolls-Royce war er als Logistikprojektleiter verantwortlich, „vier Jahre vom ersten Federstrich bis zur Einführung auf den Markt“. Privatleben gab es in dieser Zeit kaum. Thomas Scholz hatte zwar eine Wohnung in München, aber meist war er unterwegs und lebte aus dem Koffer. Auch in der alten Heimat war er selten, doch ein Ausflug hat viel verändert. Bei einem Konzertbesuch in Dresden verliebte er sich. Die Auserwählte: ebenfalls aus der Oberlausitz – ausgerechnet. Eine glückliche, aber auch anstrengende Zeit, denn das Paar musste pendeln. Thomas Scholz begann irgendwann in Sachsen nach Jobs zu suchen und fand schließlich einen im Vogtland. Eine passende, anspruchsvolle Aufgabe, er leitete nun einen Vogtländischen Automobilzulieferer mit 120 Mitarbeitern. „In dieser Zeit habe ich noch einmal viel Neues gelernt, über Kauf und Verkauf, über die Leitung eines großen Unternehmens, auch über die Führung von Mitarbeitern.“

 

Es war genau das richtige Kapitel, sagt er heute. Ein lehrreicher Schritt vor dem, der ihn schließlich zurück in die Oberlausitz führte. Denn schwierig blieb: Scholz, der mit seiner Frau inzwischen eine Familie gegründet hatte, war immer noch zu wenig zuhause. Als Führungskraft war er ständig unterwegs, jedes Jahr fuhr er mindestens 70000 Kilometer mit dem Auto. „Als mein Sohn drei Jahre alt war, habe ich nachgerechnet, dass ich ihn in dieser Zeit exakt drei Mal selbst in den Kindergarten gebracht habe. Da fragt man sich: Was will ich eigentlich?“ Seine Antwort: Berufliche Zufriedenheit und trotzdem mehr Zeit mit seiner Familie. Er begann gezielt nach Lösungen zu suchen, nach einer Aufgabe in der Oberlausitz. Ein Vortrag zum Thema „Unternehmensnachfolge“ lenkte ihn in eine neue Richtung. Scholz begann auf diesem Gebiet zu recherchieren, fand Unterstützung bei der Industrie- und Handelskammer, unter anderem Datenbanken mit regionalen Mittelständlern, die ihre Unternehmen über Jahrzehnte hinweg erfolgreich aufgebaut hatten, aber nun vor der Pensionierung standen – ohne Erben.  Das betraf auch die Oderwitzer Arno Hentschel GmbH, 1943 gegründet, wurde der Betrieb nach und erweitert, sogar um eine gemeinnützige Stiftung. Aber auch bei der Arno Hentschel GmbH fehlte ein Nachfolger. Der wurde schließlich Thomas Scholz. Sein erster Besuch auf dem Firmengelände – nicht wirklich Liebe auf den ersten Blick. Vier Wochen vergrub sich Scholz in den Firmenarchiven, studierte Zahlen und Bilanzen und entdeckte auf den zweiten Blick: Diese Firma arbeitet in einer Nische, die gesund ist und tolle Möglichkeiten bietet. Im Sommer 2015 unterschrieb er den Übernahme-Vertrag. Kurz vor der Geburt seines zweiten Kinds war er wieder zurück in der Oberlausitz, mit einer neuen Aufgabe. Am Kerngeschäft hat sich seither nicht viel verändert: ARNELL ist und bleibt ein Spezialist für Metall. Aber Thomas Scholz entwickelt das Unternehmen weiter und hat, basierend auf seinen Erfahrungen, schon jetzt allerhand verändert:  Die Zahl der Mitarbeiter ist leicht gestiegen, das Durchschnittsalter der Belegschaft einige Jahre jünger, neue Absatzmärkte werden erschlossen, das Marketing von ARNELL ist rundum erneuert. Ein neuer Slogan: „Wir reden kein Blech. Wir arbeiten damit.“ Noch immer sind die meisten seiner Arbeitstage eher zu lang als zu kurz, denn nun ist er selbst Firmenchef – allerdings in etablierten Strukturen. „Ich kann den Prozess einer Unternehmensnachfolge nur empfehlen. Bei Neugründungen muss man viel mehr Unwägbarkeiten hinnehmen“, sagt er. „Wenn man dagegen ein stabiles Unternehmen übernimmt, ist das Risiko begrenzt und man hat trotzdem Spielraum für Veränderungen.“ Selbst Chef sein, das bedeutet für ihn einerseits: große Verantwortung. „Aber es ist auch eine großartige Freiheit: Jetzt weiß ich, wofür ich die Arbeit mache – für meine Mitarbeiter und meine Familie.“

 

arnell.de

Text: Doreen Reinhard / Fotos: André Wirsig

Weiteres Gründerportrait

Werde Neugeist!

Sei Teil einer starken Community

Mach mit!