Kaffee, Kuchen und andere Herzensdinge
Als Nancy Scholz über einen Namen für ihr Görlitzer Café nachdachte, standen einige zur Auswahl, aber die Entscheidung fiel schnell. Ein Herzstück, das ist dieser Ort für sie und das soll er auch für ihre Gäste sein. „Wir verkaufen hier nicht nur Kaffee und Kuchen, sondern auch ein Gefühl“, sagt die 28-Jährige. Welches? Das lässt sich nicht einfach so in Worte fassen, wahrscheinlich ist es so wie Nancy Scholz selbst, die über sich sagt: „Ich war immer schon ein bisschen anders.“ Ihr Café, das ist ihr Geschmack und ihre Gastfreundschaft. Die Vintage-Einrichtung, die Kuchentheke mit veganem Angebot, die Bilder an den Wänden, viele von lokalen Künstlern, sogar die golden angemalte Decke. Die müsse doch nicht unbedingt sein, wer schaue da schon hinauf, mahnten manche bei der Einrichtung. Aber Nancy Scholz bestand auf diesen kleinen Luxus. „Ich verbringe so viel Zeit an diesem Ort, da sollte man sich doch mit schönen Dingen umgeben.“
„Wir verkaufen hier nicht nur Kaffee und Kuchen, sondern auch ein Gefühl“
Nancy Scholz weiß, was sie will. Oder besser: was sie nicht will. Der Weg dahin ist eine kontinuierliche Suche. Aufgewachsen ist sie in Löbau, die Stadt ist für sie Heimat, aber kein Sehnsuchtsort. Nach der Schule wollte sie erst einmal weg. In Köln machte sie eine Ausbildung zur Automobilfachfrau mit Schwerpunkt Buchhaltung. Eine Entscheidung für Sicherheit, außerdem lag der Beruf quasi in der Familie, ihre Eltern betreiben in der Oberlausitz ein Autohaus. „Ich möchte diese Zeit und diese Erfahrungen nicht missen“, sagt sie. Aber dieser Beruf war keine Erfüllung für sie. Die suchte sie nach der Lehre auf Reisen, ein halbes Jahr zog sie quer durch Europa, Asien und Nordamerika. Danach ging es zurück in der Oberlausitz, wieder das Suchen nach einem Plan, nach einem Ziel, das sie begeistert und dem passenden Ort dafür. Sie überlegte nach Dresden, in die Großstadt zu gehen, zog dann aber doch in die entgegengesetzte Richtung nach Görlitz. „Weil es dort bereits so bunt und offen ist, ich mich schnell einfinden und niederlassen konnte“, findet Nancy Scholz. Die Stadt faszinierte sie von Anfang an. „Es gibt hier ein tolles Netzwerk interessanter Leute. Das ist unglaublich motivierend.“
Die Idee, ein Café zu eröffnen, entstand irgendwann. Sie wollte einen Platz schaffen, an dem sie kreative Impulse vereinen konnte. Backen und kochen, „weil mich das schon immer beruhigt und begeistert hat“. Und Nähen, eines ihrer vielen anderen Hobbys. Nancy Scholz ist eine Macherin – mit eigenem Stil. Zum Termin bei der Bank, um über Finanzierungen zu verhandeln, kam sie mit grünem Klappfahrrad und Tüllkleid. Sie schrieb einen Businessplan, meldete ein Gewerbe an und suchte im Görlitzer Zentrum nach geeigneten Räumen für ihr Café. Weil das schwieriger war als gedacht, sie sich aber trotzdem einen Namen mit ihrer Geschäftsidee machen wollte, fing sie einfach an – zunächst ohne Raum, als etwas andere Catering-Unternehmerin. Sie zog über Märkte und Festivals in der Region und bot Gebäck und Fingerfood an. Das sprach sich herum, war ein effektives Marketing für ihr Vorhaben. Sie wurde selbst eine Marke, bevor sie nach einer Weile endlich auch ein freies Lokal in der Görlitzer Weberstraße gefunden hatte. Vor zwei Jahren wurde das Café Herzstück eröffnet. Regelmäßig finden hier inzwischen auch Konzerte und Vorträge statt, außerdem Nähkurse, die Nancy Scholz selbst leitet. Das kulinarische Angebot ist vegetarisch und vegan. Für die Chefin kam nie etwas anderes in Frage, sie ist selbst Vegetarierin, aber will Genuss anbieten, keine Dogmen. Eine große Rolle spiele das für ihre Kunden ohnehin nicht. „Es gibt Menschen, die gezielt zu mir kommen, weil sie so ein Angebot suchen. Andere merken erst später, dass sie gerade veganen Kuchen gegessen haben, der ihnen geschmeckt hat.“ Viele Gäste haben bei ihr einen Stammplatz gefunden, wobei es gar keine eindeutige Zielgruppe gibt. Junge und Ältere sitzen im Café, Görlitzer, Touristen, Künstler, Geschäftsleute, oft auch andere Gastronomen aus der Nachbarschaft. Wenn überhaupt, dann gäbe es in Görlitz gesunde Konkurrenz, sagt Nancy Scholz. Sie sieht in der Stadt sehr verschiedene Welten. „Mal ist es im Zentrum sehr voll, in anderen Wochen ziemlich leer. Es gibt Leute, die viel meckern, und andere, die anpacken und umsetzen.“ Letzteres, genau dieser Geist, ist für sie ein entscheidender Standortfaktor. „Görlitz ist wie eine Blumenwiese“, sagt sie „Man schaut hier aber nicht, ob eine Blume schöner als die andere ist. Sondern man freut sich gemeinsam, wenn neue Blumen dazukommen, denn die bereichern eben die Wiese.“
Text: Doreen Reinhard / Fotos: André Wirsig