Ein Oberlausitzer Musterhaus

 

Carola Arnold hat die Kleene Schänke in Cunewalde wiedereröffnet – als Koch- und Kulturwerkstatt. Vom Erfolg ihres Konzepts ist sie selbst überrascht.

 

Die Kleene Schänke ist ein Umgebindehaus wie aus dem Bilderbuch. Rustikale Fassade, drinnen lockt Stubengemütlichkeit, davor ein Bauerngärtchen, in dem der Frühling blüht – ein Musterhaus für Oberlausitzer Gastlichkeit. Allerdings: Die Schänke entdeckt man nicht auf den ersten Blick, das war schon immer ihre Besonderheit, manchmal ihr Problem. Sie steht seit dem 18. Jahrhundert in Cunewalde, nicht direkt an der Hauptstraße, sondern in dritter Reihe dahinter. „Die Leute müssen sie finden wollen“, sagt Carola Arnold. Seit über einem Jahr ist die 55-Jährige hier die Hausherrin und kann inzwischen sagen: Immer mehr Menschen finden den Weg zu ihr. Das liegt an der Chefin und ihrem Angebot. Die Schänke ist kein klassisches Gasthaus mehr, sondern eine Koch-und-Kulturwerkstatt. Ein Treffpunkt für Menschen. Ein Ort, an dem man sich und viele Genüsse kennenlernt. Mal lädt Carola Arnold zum Oberlausitzer Kochabend, mal zum Blumenbindekurs mit einem Meisterfloristen aus dem Ort, dann wieder zur Whiskey-Verkostung oder zum Vortrag vom Pfarrer aus der größten evangelischen Dorfkirche Deutschlands, gleich in der Nachbarschaft.

Für Carola Arnold ist die Kleene Schänke ein neuer Lebensabschnitt, der Start in die berufliche Selbstständigkeit. Auf einigermaßen unbekanntem Terrain, wobei sie in der Gastronomie alles andere als eine Quereinsteigerin ist. Sie stammt aus Cunewalde, zog aber schon früh nach Dresden, wo sie Mitte der 80er-Jahre eine Ausbildung zur Küchenmeisterin absolvierte. 36 Jahre Gastronomie-Erfahrung folgten, fast zweieinhalb Jahrzehnte davon war Carola Arnold Betriebsleiterin eines großen Cateringbetriebs in Dresden. Ein anspruchsvoller, mitunter stressiger Job, der ihr immer großen Spaß gemacht hat. Und doch kam sie irgendwann an einen Punkt, wo sie merkte: „Der Job und ich, wir haben uns verändert. Wir passen einfach nicht mehr zueinander.“ Sie verließ das Unternehmen, „im Guten“, wie sie betont. Pläne hatte sie keine, sie wollte erst mal durchatmen, zur Ruhe kommen, Ideen sortieren. Der Kontakt nach Cunewalde war nie abgerissen, beim alljährlichen Nubbern-Treffen hörte sie nebenbei von der Kleenen Schänke, die sie natürlich kannte, bisher aber eher aus der Ferne. Jemand erzählte, dass das Haus wieder frei sei. Am nächsten Morgen sagte sie zu ihrem Mann: „Du, wir müssen reden.“ Der Gatte antwortete gar nicht überrascht: „Ich weiß schon, über die Kleene Schänke, du bist gestern so hellhörig geworden.“

Im Nachhinein, sagt Carola Arnold, sei es vielleicht gar nicht so großer Zufall gewesen, dass sie schon Jahre zuvor ein Konzept für eine Kochwerkstatt geschrieben hatte, einfach so, es aber wieder in die Schublade legte, für später mal. Nun war der richtige Zeitpunkt da und vor allem der passende Ort. Carola Arnold präsentierte ihr Vorhaben, fand Anklang und pachtete das Haus vom Inhaber, dem Landesverein Sächsischer Heimatschutz e.V.. Im Januar 2016 bekam sie die Schlüssel überreicht. Die Umbauphase begann. Nebenbei plante sie Veranstaltungen und knüpfte Netzwerke. Sie merkte, wie viel Freude ihr die kreative Selbstständigkeit macht, aber auch, wie anstrengend sie ist. „Wenn man in meinem Alter noch mal so einen Schritt wagt, muss man akzeptieren, dass man eben nicht mehr die Kraftreserven wie mit 30 oder 40 hat“, sagt Carola Arnold. „Aber dafür mehr Erfahrung und Toleranz. Und man kennt viele Leute, die im besten Fall mitziehen.“ Eigentlich hatte sie auch gar nicht so ein hohes Tempo geplant, aber der Erfolg kam schneller als gedacht. Schon die Eröffnung der Kleenen Schänke im Mai 2016 war fulminant. Carola Arnold veranstaltete mit neu gefundenen Partnern einen Markt mit 25 Handwerkern aus der Region – knapp 1800 Besucher kamen.

Sie merkte, wie viel Freude ihr die kreative Selbstständigkeit macht, aber auch, wie anstrengend sie ist. „Wenn man in meinem Alter noch mal so einen Schritt wagt, muss man akzeptieren, dass man eben nicht mehr die Kraftreserven wie mit 30 oder 40 hat“, sagt Carola Arnold. „Aber dafür mehr Erfahrung und Toleranz. Und man kennt viele Leute, die im besten Fall mitziehen.“

Auch jetzt ist ihr Kalender weit im Voraus gefüllt und oft ausgebucht. Die nächsten zwei Jahre will Carola Arnold, die inzwischen wieder in Cunewalde wohnt, vor allem Erfahrungen sammeln. Stärken und Schwächen ihres Konzepts ausloten, um eine gute Mischkalkulation zu finden zwischen Veranstaltungen, die eine große Reichweite haben, aber eher Zuschussgeschäfte sind, und anderen, die die Wirtschaftlichkeit ihres Konzepts sichern. Eine der Konstanten in ihrem Programm sind Kochabende unter dem Motto „Kochen mit Spaß“. Carola Arnold steht in ihrer großen Küche am Herd, aber fühlt sich nicht als Starköchin, sondern lädt Gruppen zum geselligen Miteinander beim Schnippeln, Brutzeln und Verkosten ein. Oft kommen Besucher aus der Region, immer wieder aber auch Gäste aus der Ferne, im besten Fall Großeltern und Enkel, also alle Generationen. „Zu mir kommen Leute, die mehr wollen als nur Essen gehen“, sagt Carola Arnold. „Sie sind interessiert an Gesellschaft. Und an ihrer Heimat, der Oberlausitz.“

www.kleeneschaenke.de

Text: Doreen Reinhard / Fotos: André Wirsig

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