
Tücher-Partys im Hühnerstall
Carolin Ringel hat das Label „Pinkella“ gegründet. Ihre Bestseller sind Schals und Tücher, die sie auch in Wohnzimmern verkauft.
Das Atelier von Carolin Ringel war früher mal ein Hühnerstall. Heute hört sie von jedem, der es betritt: „Oh, wie schön, hier würde ich auch gern arbeiten.“ Große, gemütliche Räume, mit viel Holz gestaltet. Und diese Aussicht aus den Panoramafenstern, Wälder und Hügel direkt vor der Nase. Carolin Ringel mag das, immer mal von ihrer Nähmaschine aufzuschauen und direkt in die Natur zu blicken.
Es steckt viel Arbeit in ihrem Atelier und im Wohnhaus nebenan, beides hat Carolin Ringel mit ihrem Mann jahrelang ausgebaut. Nun ist der Familiensitz im kleinen Ort Tännicht bei Sohland fertig. Für die 33-Jährige ist er außerdem Büro, Werkstatt und Vertriebszentrale, der Hauptsitz ihres Modelabels „Pinkella“. Das hat vor nicht allzu langer Zeit als Hobby angefangen und ist inzwischen eine richtige Marke, vor allem bekannt für Schals und Tücher, alle von ihr entworfen und geschneidert. Man kann sagen, all das hat sich nebenbei entwickelt, aber so erfolgreich, dass es in den letzten Jahren nur eine Entwicklung gab: Ihr Geschäft wächst kontinuierlich.
An der Nähmaschine ist Carolin Ringel eine Quereinsteigerin. Begonnen hat sie in einer ganz anderen Branche, nach dem Abitur machte sie eine Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten. Die gebürtige Oppacherin wäre gern in der Lausitz geblieben, schrieb viele Bewerbungen, aber fand in der Region keine Lehrstelle. „Damals sah es hier ganz schlecht aus, kaum jemand hat Azubis eingestellt.“ Also ging sie 2001 nach München. Nicht allein, „viele aus meiner Schule waren aus dem Osten, teilweise sogar aus meiner Ecke“. Eine durchwachsene Zeit. Sie mochte die neue Stadt, aber wurde doch nicht richtig warm mit Bayern. An den meisten Wochenenden pendelte sie nach Hause – und zog nach der Lehre schließlich zurück nach Sachsen. Erst mal nach Dresden, nach langer Suche fand sie doch noch eine Stelle in der alten Heimat. Endlich angekommen, so fühlte es sich an. Mit ihrem Mann, ebenfalls Lausitzer, gründete sie bald darauf eine Familie.
„Es kamen immer mehr Bekannte zu mir, die fragten, ob ich ihnen nicht auch so etwas nähen könnte.“
Während der Elternzeit mit ihren beiden Söhnen hat Carolin Ringel mit dem Nähen begonnen, erst mal nur aus Lust an der Freude und Erinnerung an alte Zeiten. „Auch mein Mutter hat viel genäht und mein Opa war sogar Schneidermeister.“ Das erste selbstgenähte Tuch bekam ihre Mutter zum Geburtstag. Es wurde mit viel Aufmerksamkeit bedacht. „Es kamen immer mehr Bekannte zu mir, die fragten, ob ich ihnen nicht auch so etwas nähen könnte.“ So wurde aus einem Tuch schnell ein Dutzend, aus diesem wiederum ein ganzer Haufen und daraus vor vier Jahren ein Unternehmen, das inzwischen auch andere Accessoires anbietet, von Taschen bis Ohrsteckern.
„Pinkella“ hat Carolin Ringel ihr Label genannt. Pink wie ihre Lieblingsfarbe, nach der sie schon als kleines Mädchen verrückt war. Und „Ella“, den Namen hatte sie sich für eine Tochter ausgesucht, aber dann doch ihre Jungs Eddie und Luis bekommen. Ihr Geschäft wird von zwei Säulen getragen: Sie betreibt einen Internet-Shop, verkauft dort viele ihrer Produkte. Und sie hat eine Idee für regionale Interessenten entwickelt, angelehnt ans Prinzip Tupper-Party, allerdings mit Tüchern. Ein Abend in lockerer Runde, mal bei ihr im Atelier, mal in den Wohnzimmern von Kundinnen. Man schwatzt, hat Spaß, trinkt ein paar Schlückchen und kauft ein. An den besten Abenden hat Carolin Ringel vierstellige Umsätze.
Ihren Job in der Kanzlei hat sie inzwischen aufgegeben, „Pinkella“ ist nun ihr Hauptberuf. Ihr Mann ist ebenfalls selbstständig, eigentlich gelernter Kfz-Meister, aber auch er hat als Quereinsteiger mit einem Freund vor zwölf Jahren die Ricon-Manufaktur für Möbel und Grill-Zubehör in Cunewalde eröffnet. Die Ringels sind eine Gründer-Familie. Carolin Ringel sieht das als Vorteil. Sie kann zuhause arbeiten und ist flexibel, damit Zeit für ihre Söhne bleibt. Wobei: Organisation ist alles, denn sie ist gut gebucht. Im Durchschnitt veranstaltet sie zwei Tücherpartys pro Woche. Davor und danach sitzt sie an der Nähmaschine, um neue Ware zu produzieren. Es gibt an ihrem Arbeitstisch diesen tollen Ausblick, aber an manchen Tagen ist so viel zu tun, dass sie meist doch nur Nadel und Faden sieht.
Text: Doreen Reinhard / Fotos: André Wirsig