Ein Löbauer Leuchtturm
Die Geschichte vieler Oberlausitzer Unternehmen beginnt Mitte der 90er-Jahre. Die Mauer war gefallen, die Zeit der ersten Umbrüche überstanden, aber noch schwankte vieles. Es gab genügend Unsicherheiten, aber auch allerhand Möglichkeiten, sich auszuprobieren. Christian Jakschik gehört zu einer Generation, die in jenen Jahren einen entscheidenden Grundstein legte – für ein eigenes Unternehmen. Vorher hatte er als Ingenieur in einem Oberlausitzer Betrieb gearbeitet, nach der Wende wurde dieser geschlossen, wie viele andere Werke in der Region. Jakschik wollte sein Wissen und seine Erfahrungen nutzen und ausbauen. 1994 gründete er ULT, eine Ingenieurtechnik-Firma für Absaug- und Filtertechnologie. Das Unternehmen, das sich auf die Bereinigung von Luftschadstoffen bei Produktionsprozessen spezialisierte, wurde schnell zu einer Erfolgsgeschichte. Heute, 23 Jahre später, ist ULT einer der Leuchttürme in der Oberlausitz und zuverlässig auf Wachstumskurs. Dafür sorgen inzwischen Alexander und Stefan Jakschik, die zweite Generation.
Alexander Jakschik, 34 Jahre alt, kann sich noch gut an jene Jahre erinnern, als sein Vater die Firma gründete, während er als Kind in Löbau an abenteuerlichen Orten spielte. „Auch in Abrisshäusern, in leeren Betrieben, das war für uns damals natürlich aufregend. Erst später wird einem bewusst, was das eigentlich bedeutet hat: Die Industrie war in der Region damals zu großen Teilen zusammengebrochen.“ Seinen Vater erlebte er als passionierten Gründer: „Er hat immer Chancen gesehen. Die Firma hat er nicht nur rein betriebswirtschaftlich ausgerichtet, sondern auch technisch sehr versiert agiert.“ Zügig setzte der Senior seine Pläne um. 2000 zog ULT auf das heutige Firmengelände, einige Kilometer außerhalb von Löbau, das sich in den folgenden Jahren immer wieder vergrößerte und veränderte. 2004 wurde ULT zur Aktiengesellschaft.
„Es gibt für uns überhaupt keinen Grund, die Region zu verlassen.“
Während Christian Jakschik expandierte, gingen seine Söhne zunächst eigene Wege. Stefan, Jahrgang 1976, wurde Doktor der Mikroelektronik und arbeitete unter anderem beim Dresdner Halbleiterhersteller Infineon. Alexander, der Jüngere, studierte Wirtschaftsingenieurwesen und arbeitete nach dem Abschluss einige Jahre bei einem größeren Unternehmen in der Nähe von Dresden. „Es war uns beiden wichtig, auch außerhalb Erfahrungen zu sammeln“, sagt Alexander Jakschik. Dass der Weg der Söhne irgendwann in das Familienunternehmen führen würde, zeichnete sich ab 2007 ab. „Da haben wir in der Familie langsam begonnen, darüber zu sprechen.“ und die Übergabe des Staffelstabs vorzubereiten. Den gab es tatsächlich, ein Symbol, das Christian Jakschik an seinem 66. Geburtstag seinen beiden Söhnen überreichte.
Vater Christian Jakschik kommt inzwischen nur noch gelegentlich als Berater in die Firma. Alexander und Stefan Jakschik haben seinen Platz eingenommen, sie sitzen Tür an Tür im Obergeschoss der unlängst erweiterten Firmenzentrale. Wenn sie nicht gerade auf Dienstreisen sind, das kommt häufig vor, denn die Kundschaft von ULT ist auf der ganzen Welt verstreut. „Wie klappt das denn so, wenn man mit dem eigenen Bruder zusammenarbeitet?“, diese Frage muss Alexander Jakschik häufig beantworten. Aber von Streitereien kann er gar nicht berichten. „Bei uns klappt das wirklich gut, vielleicht liegt es an unserem größeren Altersunterschied, vielleicht auch daran, dass wir eben gemeinsam gelernt haben, uns in der Firma auf das Sachliche zu konzentrieren.“ Privat verbindet die Brüder ihre Liebe zur Musik: Alexander Jakschik spielt Schlagzeug, sein Bruder Stefan Saxophon. Beruflich hat jeder sein eigenes Spielfeld, einer verantwortet Vertrieb und Bilanzen des Unternehmens, der andere die Produktion sowie technische Entwicklungen. Die künftigen ULT-Visionen planen sie gemeinsam. Klare Strategie: weiteres Wachstum. Aktuell arbeiten 101 Mitarbeiter im Unternehmen, aber diese Zahl soll ebenso wachsen wie Kundschaft, Umsätze und Absatzmärkte. Zu einem der jüngsten ULT-Projekte gehört eine Zweigestelle in den USA, auch auf anderen Kontinenten hat das Oberlausitzer Unternehmen sich bereits verankert. Zwar kann nicht jeder internationale Kunde sofort etwas mit einer Stadt namens Löbau anfangen, aber für internationale Geschäfte spielt das keine große Rolle. Die Jakschiks wiederum sind überzeugt von ihrem Standort. „Die meisten unserer Mitarbeiter kommen aus der Gegend, auch wir leben in der Nähe. Und mit der Anbindung an Verkehrswege für unsere Lieferungen sind wir zufrieden “, sagt Alexander Jakschik. „Es gibt für uns überhaupt keinen Grund, die Region zu verlassen.“
Text: Doreen Reinhard / Fotos: André Wirsig